§ 1 Abs. 4 VOB/B bestimmt, dass der Auftragnehmer (AN) nicht vereinbarte Leistungen, die zur Ausführung der vertraglichen Leistung erforderlich werden, auf Verlangen des Auftraggebers (AG) mit auszuführen hat, es sei denn, sein Betrieb ist auf derartige Leistungen nicht eingerichtet. Die Vergütung des AN für solche Zusatzleistungen richtet sich dann nach § 2 Abs. 6 VOB/B. Danach muss er den Anspruch dem AG ankündigen, bevor er mit der Ausführung der Leistung beginnt. Dass dieser Grundsatz keinem Selbstzweck dient, hat das OLG Hamm unlängst konstatiert. Danach stelle die Ankündigungspflicht des § 2 Abs. 6 Nr. 1 Satz 2 VOB/B zwar eine echte Tatbestandsvoraussetzung dar. Entscheidendes Kriterium sei jedoch der Vertrauensschutz des AG, so dass eine Entbehrlichkeit der Ankündigung angenommen werden könne, wenn ein schützenswertes Vertrauen auf eine eventuelle Unentgeltlichkeit der zusätzlichen Leistung nicht vorliege. Sinn und Zweck der Klausel sei es, den AG zu schützen, weil dieser über drohende Kostenerhöhungen rechtzeitig informiert sein solle, um entsprechend disponieren zu können. Auf der anderen Seite seien die berechtigten Interessen des AN, dass seine gewerblichen Bauleistungen regelmäßig nicht ohne Vergütung zu erwarten sind, zu berücksichtigen und begrenzten den Anwendungsbereich der Ankündigungspflicht vor Ausführung.
Ein Verlust des Vergütungsanspruchs des AN nach unterbliebener Mehrkostenankündigung sei demnach nicht angezeigt, wenn und soweit die Ankündigung im konkreten Fall für den Schutz des AG entbehrlich und daher ohne Funktion gewesen sei. Hiervon sei immer dann auszugehen, wenn der AG bei der Forderung der Leistung von ihrer Entgeltlichkeit ausging oder ausgehen musste, sowie, wenn ihm nach Lage der Dinge keine Alternative zur sofortigen Ausführung der Leistung durch den AN geblieben sei. Der AN trage hierfür die Darlegungs- und Beweislast. Indes müsse der AG zunächst darlegen, dass ihm tatsächlich preiswertere Ausführungsalternativen zur Verfügung gestanden hätten, die er im konkreten Fall hätte heranziehen können, um so die geforderten Kosten der zusätzlichen Leistung zu unterschreiten. Lediglich abstrakt denkbare Möglichkeiten genügten hierfür nicht.
Im Ergebnis hat die Versäumung der Ankündigung nur dann einen Anspruchsverlust des AN zur Folge, wenn und soweit die Ankündigung berechtigten Schutzinteressen des AG dient und ihre Versäumung nicht entschuldigt ist. Mit diesem Rahmen benachteiligt diese Rechtsfolge den AN nicht unangemessen, sondern entspricht vielmehr dem Kooperationscharakter des Bauvertrags (BGH, IBR 1996, 313).
(OLG Hamm, Urteil vom 27.03.2019 – 12 U 66/17; BGH, Beschluss vom 08.04.2021 – VII ZR 78/19, Nichtzulassungsbeschwerde zurückgewiesen)
Dr. Thomas Gutwin
Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht
Fachanwalt für Miet- und Wohnungseigentumsrecht