Ein Mieter gewerblicher Flächen musste aufgrund behördlicher Anordnung während der Pandemie seinen Betrieb vorübergehend schließen. Für diese Zeit bezahlte er den vertraglich vereinbarten Mietzins nicht mit der Begründung, es liege ein Mietmangel vor, der ihn zur Mietminderung auf „null“ berechtige. Dem trat der Vermieter entgegen und verklagte den Mieter auf Zahlung der einbehaltenen Miete.

Das Landgericht Mönchengladbach hatte sich mit diesem Sachverhalt zu befassen. In einer sehr gut begründeten Entscheidung kam das Gericht zu folgender Einschätzung:

Ein Mietmangel im Sinne des § 536 BGB ist dann gegeben, wenn der tatsächliche Zustand der Mietsache vom vertraglich vorausgesetzten Zustand abweicht. Auch öffentlich-rechtliche Gebrauchshindernisse und -Beschränkungen können die Tauglichkeit zu dem vertragsgemäßen Gebrauch mindern und damit einen Sachmangel darstellen. Insbesondere bei der Vermietung von Gewerberäumen können privat- oder öffentlich-rechtliche Hindernisse zu einem Mangel führen. Voraussetzung ist aber, dass die Beschränkungen der konkret vermieteten Sache ihre Ursache gerade in deren Beschaffenheit und Beziehung zur Umwelt haben und nicht in den persönlichen oder betrieblichen Umständen des Mieters. Durch hoheitliche Maßnahmen bewirkte Gebrauchs-beschränkungen können nur dann einen Mangel begründen, wenn sie unmittelbar mit der konkreten Beschaffenheit, dem Zustand oder der Lage der konkreten Mietsache in Zusammenhang stehen. Maßnahmen, die nur den geschäftlichen Erfolg des Mieters beeinträchtigen, fallen in dessen Risikobereich. § 535 Abs. 1 S. 2 BGB verpflichtet den Vermieter nur, die Mietsache in einem Zustand zu erhalten, der dem Mieter die vertraglich vorgesehen Nutzung ermöglicht. Das Verwendungsrisiko trägt hingegen der Mieter allein. Vor alledem liegt ein Sachmangel nicht vor. Die hoheitlichen Maßnahmen dienten dem Schutz der Bevölkerung vor allgemeinen gesundheitlichen Gefahren. Sie knüpfen nicht unmittelbar an die konkrete Beschaffenheit der Mietsache an, sondern allein an den Betrieb des jeweiligen Mieters. Die Maßnahmen stellen dabei nicht auf die konkreten baulichen Gegebenheiten ab, sondern allgemein auf die Nutzungsart sowie den Umstand, dass in den betroffenen Flächen Publikumsverkehr stattfindet und dies Infektionen begünstigt (so auch LG Heidelberg COVuR 2020, 541 Rn. 27; Sittner NJW 2020, 1169, 1171). Über dies war die Mietsache zu dem vereinbarten Zweck weiterhin in gleicher Weise geeignet wie vor dem hoheitlichen Einschreiten.

Der Mietvertrag ist auch nicht gemäß § 134 BGB nichtig wegen Verstoßes gegen ein Verbotsgesetz. Zur Zeit der zwangsweisen Schließung wurde lediglich die Öffnung des Geschäftes untersagt, nicht aber die weiteren Vertragsverhältnisse zwischen Mieter und Vermieter. Es handelt sich bei dem Verbot nicht um Maßnahmen, die sich gegen die Mietsache als solche richten, sondern gegen den Mieter als Betriebsinhaber. Die Betriebsuntersagungen oder -Erschwerungen auf Grund der Corona-Krise betreffen das Verwendungsrisiko des Mieters, weil hierfür die baulichen Gegebenheiten des Mietobjekts in aller Regel – und so auch hier – unerheblich sind, sondern es allein auf die Art der Nutzung der Gebäude und den dort stattfindenden Publikumsverkehr ankommt. Es war dem Mieter auch trotz der hoheitlichen Anordnungen weiterhin möglich, die Mieträume anderweitig zu nutzen. Jedenfalls für die weitere Lagerung seiner Waren wird dies der Fall gewesen sein. Die coronabedingten Betriebsuntersagungen richten sich einseitig an eine Vertragspartei und stellen allein dessen Vertragsrisiko dar.

Der Mieter ist auch nicht gemäß § 326 Abs. 1 BGB von seiner Leistungspflicht befreit. Denn eine Unmöglichkeit der Gebrauchsgewährung i.S.v. § 275 BGB liegt nicht vor. Die vom Vermieter übernommene Pflicht, die Möglichkeit des Gebrauchs zu erhalten, ist von vornherein begrenzt. Ein Umstand, der bereits außerhalb des Leistungsprogramms liegt, kann keinen Ausschluss der Leistungspflicht nach § 275 Abs. 1 bis 3 BGB begründen. Der Mieter trägt das Verwendungsrisiko der Mietsache. Die durch die Corona-Krise bedingte Betriebseinschränkung betrifft das Verwendungsrisiko und nicht die Gebrauchsgewährungspflicht des Vermieters.

Der Mieter kann sich auch nicht auf Unmöglichkeit gemäß § 275 Abs. 2 BGB berufen. Zu vergleichen ist dabei nämlich der Aufwand des Schuldners mit dem Leistungsinteresse des Gläubigers, d.h. dem Nutzen, den der Gläubiger aus der Leistung zieht. Bei gestiegenen Marktpreisen oder anderen Lieferschwierigkeiten stünde der Gläubiger, wenn er sich die Leistung anderweitig verschaffen würde, regelmäßig vor denselben Beschaffungsproblemen wie der Schuldner. Die bloße Tatsache, dass der Aufwand des Schuldners und sein Gewinn auseinanderklaffen, wird von § 275 Abs. 2 BGB gerade nicht erfasst. Fälle dieser Art können lediglich unter den Voraussetzungen des Wegfalls der Geschäfts-grundlage erfasst werden.

Der Mieter hat in diesem Fall aber gemäß § 313 Abs. 1 BGB einen Anspruch auf Vertragsanpassung für die Zeit der behördlich angeordneten Betriebsschließung, die er im Wege einer Einrede gegen eine Inanspruchnahme aus dem für sie unzumutbar gewordenen Vertrag geltend machen kann.

Ein Anspruch auf Vertragsanpassung gemäß § 313 Abs. 1 BGB liegt vor, wenn sich Umstände, die zur Grundlage des Vertrags geworden sind, nach Vertragsschluss schwerwiegend verändert haben und wenn die Parteien den Vertrag nicht oder mit anderem Inhalt geschlossen hätten, wenn sie diese Veränderung vorausgesehen hätten, sowie wenn einem Teil unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls das Festhalten am unveränderten Vertrag nicht zugemutet werden kann.

Bei Betriebsuntersagungen greift das Anpassungsrecht des § 313 Abs. 1 BGB ein. Zu Beginn des allgemeinen „Shutdown“ im März 2020 wurde die Nutzung zum vertraglichen Zweck in weiten Bereiche des Einzelhandels – und so auch im konkreten Fäll – vollständig untersagt, womit der Geschäftsbetrieb jedenfalls nahezu vollständig zum Erliegen kam. Das ist eine schwerwiegende, unzumutbare Störung. Da das Risiko für die Betriebsuntersagung in gleichem Maß außerhalb des Risikobereichs von Mieter und Vermieter lag, ist eine Anpassung auf die Hälfte des Mietzinses angemessen. Diese hälftige Teilung fügt sich auch in die höchstrichterliche Rechtsprechung ein, die eine solche annimmt, wenn die Folgen der Grundlagenstörung nicht einer Partei allein zugewiesen werden können. Die hälftige Teilung gilt auch für verbrauchsunabhängige Betriebskosten. Lediglich die verbrauchsabhängigen Betriebskosten hat der Mieter vollständig zu tragen, weil sie durch seine Fortsetzung der Geschäftstätigkeit verursacht wurden , was Vermieter im Rahmen der jährlichen Betriebskostenabrechnung zu berücksichtigen haben wird.

Ausnahmsweise ist auch eine rückwirkende Vertragsanpassung auf den Zeitpunkt des Anpassungsereignisses zulässig. Maßgeblich ist dafür eine umfassende Bewertung der Interessen beider Parteien. Im Allgemeinen kommt eine Anpassung für die Vergangenheit desto weniger in Betracht, je stärker und unerwarteter die Rückwirkung die durch die Anpassung benachteiligte Partei trifft. Je geringer die Schutzwürdigkeit des Anpassungsgegners ist, desto eher lässt sich auch mit Wirkung für die Vergangenheit anpassen, so etwa bei einer auf Grund unzutreffender Flächenberechnung zu hohen Miete. Kein stichhaltiges Argument gegen eine rückwirkende Anpassung und damit verbundenen teilweisen Rückabwicklung von Dauerschuldverhältnissen ist die häufige, formelhafte Behauptung, die Rückabwicklung von Dauerschuldverhältnissen sei mit untragbaren Schwierigkeiten verbunden. Es mag solche Fälle geben – die Regel sind sie nicht.

(LG Mönchengladbach vom 02.11.2020, 12 O 154/20)

Dr. Thomas Gutwin
Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht
Fachanwalt für Miet- und Wohnungseigentumsrecht