Sehr geehrte Damen und Herren,
aktuelle Entwicklungen werfen die Frage auf, ob und in welchem Umfang die Corona-Krise Einfluss nimmt auf Rechtspflichten innerhalb gewerblicher Mietverhältnisse. Dieser Beitrag befasst sich mit der Pflicht des Gewerbemieters zur Mietzinszahlung während der Zeit der angeordneten Betriebsschließung wegen des Corona-Virus.
1.
Die aktuelle Lage bringt es in einer Vielzahl von Fällen mit sich, dass der Gewerbemieter, dessen Betrieb aufgrund einer krisenbedingten Rechtsverordnung geschlossen werden musste, aus Gründen, die er selbst nicht zu vertreten hat, den vereinbarten Mietzins nicht weiter aufbringen kann. Man kann daran denken, dass der Mieter in dieser Zeit von der Zahlung der Miete befreit ist. Jedoch gilt weiterhin der das gesamte Zivilrecht umspannende Grundsatz, dass man „Geld zu haben hat“. Das wirtschaftliche Unvermögen des Mieters befreit ihn nicht von seiner Verpflichtung zur Mietzahlung. Ob er das Unvermögen zu vertreten hat oder unverschuldet in Not geraten ist, spielt dabei rechtlich keine Rolle. Ihn trifft das sogenanntes Beschaffungsrisiko, § 276 Abs. 1 S. 1 BGB, BGH, Urt. v. 04.02.2015 – VIII ZR 175/14.
Der Mieter bleibt also selbst dann grundsätzlich zur Mietzahlung verpflichtet, wenn aufgrund umfassender Auftragsstornierungen oder einer staatlich angeordneten Betriebsschließung seine Umsätze komplett wegfallen.
2.
Kann sich der Mieter wegen in der CORONA-Krise wenigstens auf einen Mangel der Mietsache und einen Minderungsanspruch berufen?
Das ist der Fall, wenn der Mietsache ein unmittelbarer Mangel anhaftet, der ihre Tauglichkeit zum vertragsgemäßen Gebrauch aufhebt. Schimmel oder das Vorhandensein von Umweltgiften in den Mieträumen sind Beispiele dafür. Eine auf CORONA gestützte Mietminderung käme in Betracht, wenn von den Mieträumen selbst ein Infektionsrisiko ausginge, was in der Regel unwahrscheinlich sein dürfte. Auf bloße Befürchtungen kann sich der Mieter zur Begründung eines Minderungsrechts nicht mit Erfolg stützen, OLG Hamm, RE v. 25.03.1987 – 30 REMiet 1/86.
Wie liegt es, wenn eine die Gebrauchsfähigkeit beeinträchtigende Störung lediglich aus der Umgebung der Mieträume stammt? Hier wird man anhand der Einzelfallumstände unter besonderer Berücksichtigung des vertraglich vereinbarten Verwendungszwecks zu urteilen haben. Einen Mangel mit unmittelbarem Bezug zur Mietsache kann man z.B. bei der Sperrung einer Straße bejahen, durch die der Betrieb des Mieters von seinen Kunden abgeschnitten wird , OLG Frankfurt/Main, Urt. v. 05.07.2017 – 2 U 152/16. Besteht indes gar kein Bezug zum konkreten Mietobjekt, wird man die erforderliche Unmittelbarkeit des Mangels ablehnen müssen. Bei einer Ausgangssperre, die auf Grundlage einer die Allgemeinheit treffenden Rechtsverordnung erfolgt, wird man das annehmen und einen Minderungsanspruch des Mieters verneinen müssen.
Eben dies gilt auch für Umsatzeinbußen des Mieters, die sich wegen der im Zuge der CORONA-Krise angeordneten Maßnahmen ergeben und nicht auf tatsächlich vorhandene Mängel der Mietsache zurückzuführen sind. Das grundsätzliche Verwendungsrisiko bezüglich der Mietsache trägt der Mieter. Beim gewerblichen Mieter erfasst dieses Risiko insbesondere die Gewinnerzielungsmöglichkeit. Erfüllt sich die Gewinnerwartung des Mieters nicht, so verwirklicht sich damit ein typisches Risiko des gewerblichen Mieters, das dieser ohne ausdrückliche vertragliche Regelung nicht auf den Vermieter verlagern kann, BGH, Urt. v. 21.09.2005 – XII ZR 66/03. Deshalb kann der Mieter wegen Umsatzeinbußen als Folge coronabedingter Auftragsstornierungen keinen Minderungsanspruch durchsetzen.
3.
Rechtfertigt eine behördlich angeordnete Schließung des Betriebs des Mieters Minderungsansprüche?
Denkbar wäre das, wenn die behördliche Auflage oder Untersagung der Betriebsgenehmigung an die Beschaffenheit oder Lage der Mieträume anknüpft, ständige Rechtsprechung seit BGH, Urt. v. 20.01.1971 – VIII ZR 167/69 und BGH, Urt. v. 20.11.2013 – XII ZR 77/12. Andere gesetzgeberische Maßnahmen, die den geschäftlichen Erfolg beeinträchtigen, fallen dagegen in den Risikobereich des Mieters, BGH, Urt. v. 13.07.2011 – XII ZR 189/09.
Der Betriebsuntersagung wegen CORONA erfolgt nicht, weil die angemieteten Räume nicht oder jedenfalls nicht zu dem nach dem Mietvertrag vorgesehenen Zweck genutzt werden dürften. Die Untersagung geht darauf zurück, das mit dem Geschäftsbetrieb des Mieters verbundene Risiko der Weiterverbreitung des Corona-Virus zu unterbinden und so die Allgemeinheit zu schützen. Vergleichbare Fälle hat die Rechtsprechung in jüngerer Vergangenheit ausdrücklich nicht als Mangel der Mietsache beurteilt (beispielhaft gesetzliches Rauchverbot in Gaststätten, BGH, Urt. v. 13.07.2011 – XII ZR 189/09). Insofern kann auch die coronabedingte Betriebsuntersagung keinen Minderungsanspruch stützen.
4.
In vielen Gewerbemietverträgen findet sich eine vereinbarte Betriebspflicht des Mieters. Solche Vereinbarungen sind grundsätzlich wirksam. Im Sinne des dem Mieter obliegenden wirtschaftlichen Verwendungsrisikos berechtigen Umsatzeinbußen, die auf einen Kundenrückgang oder die Stornierung von Aufträgen zurückzuführen sind, nicht dazu, seinen Betrieb trotz bestehender Betriebspflicht einzustellen, OLG Koblenz,
Urt. v. 27.06.2019 – 1 U 14717/18 und OLG Rostock, Urt. v. 08.03.2004 –
3 U 118/03. Abweichende Regelungen sind vertraglich möglich. Anders ist es, wenn der Mieter den Betrieb aufgrund behördlicher Anordnung im Zusammenhang mit der Corona-Epidemie einstellen muss. Dann liegt keine schuldhafte Verletzung der mietvertraglichen Betriebspflicht vor. Denn die Erfüllung dieser Verpflichtung wäre rechtswidrig. Eine rechtswidrige Handlung kann der Vermieter vom Mieter nicht verlangen.
5.
Beendigungsmöglichkeiten in der Krise
Welche Möglichkeiten bestehen, wenn der Mieter im Rahmen eines befristeten Gewerbemietverhältnisses wegen Umsatzeinbußen und Betriebseinstellung seinen Zahlungsverpflichtungen nicht mehr nachkommen kann?
Im Grundsatz hat es die Rechtsprechung bislang stringent abgelehnt, dem Mieter wegen der Verwirklichung des wirtschaftlichen Risikos ein kurzfristiges Recht zur Lösung aus dem Vertragsverhältnis zuzusprechen, oder ihm die Möglichkeit der Vertragsanpassung mit vorzeitiger Kündigung wegen Wegfalls der Geschäftsgrundlage zuzugestehen, OLG Koblenz, Urt. v. 27.06.2019 – 1 U 14717/18, wenn nicht schon der Vertrag dafür eine Regelung vorsieht.
6.
Neue Gesetzeslage zum 01.04.2020
Das anlässlich der CORONA-Krise verabschiedete und am 01.04.2020 Kraft getretene „Gesetz zur Abmilderung der Folgen der COVID-19-Pandemie im Zivil-, Insolvenz- und Strafverfahrensrecht“ gibt dem Gewerbemieter nur begrenzte Möglichkeiten. Maßgeblich ist Artikel 5 des Gesetzes zur Abmilderung der Folgen der COVID-19-Pandemie im Zivil-, Insolvenz- und Strafverfahrensrecht i.V.m. Artikel 240 § 2 EGBGB, welches Artikel 240 §§ 1-4 EGBGB befristet (bis zum 30.09.2022) abändert. Daraus ergibt sich lediglich, dass der Gewerbevermieter keine Vertragskündigung darauf stützen kann, dass der Mieter in der Zeit vom 01.04.2020 bis 30.06.2020 trotz Fälligkeit die Miete nicht bezahlt, wenn die Nichtleistung auf Auswirkungen der COVID-19-Pandemie beruht. Diesen Zusammenhang hat der Mieter glaubhaft zu machen. Die Vermieterkündigung wegen dieses Grundes ist bis zum 30.06.2022 ausgeschlossen. Unberührt bleibt allerdings die Zahlungspflicht des Mieters. Dem Vermieter bleibt es unbenommen, den Mietzins umgehend einzuklagen. Artikel 5 des Gesetzes zur Abmilderung der Folgen der COVID-19-Pandemie im Zivil-, Insolvenz- und Strafverfahrensrecht i.V.m. Artikel 240 § 1 EGBB, dessen Tatbestand Mietern auf den ersten Blick mit dem sich daraus ergebenden Leistungsverweigerungsrecht eine Hilfe sein könnte, gilt bei Miet- und Pachtverträgen nicht, Artikel 5 des Gesetzes zur Abmilderung der Folgen der COVID-19-Pandemie im Zivil-, Insolvenz- und Strafverfahrensrecht i.V.m. Artikel 240 § 1 Absatz 4 Nr. 1 EGBGB.
Anmerkung:
Diese Ausführungen schließen die bisherige mietrechtliche Rechtsprechung zur Frage der Mietzahlungspflicht im gestörten Mietverhältnis ein. Mit der angesprochenen Pandemie vergleichbare Szenarien kennt die Rechtsprechung und Literatur nicht. Wir werden deshalb die Fortentwicklung in Rechtsprechung und Literatur aufmerksam beobachten.
Dr. Thomas Gutwin
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht
Fachanwalt für Miet- und Wohnungseigentumsrecht